Nicht jedes Orchester darf die „Freiheitssinfonie“ spielen. Denn welche Musikerinnen und Musiker seine Komposition zur Aufführung bringen dürfen, das entscheidet Guido Rennert höchstpersönlich. Der Grund? In seinem Werk „Wir sind das Volk - eine Freiheitssinfonie“ verarbeitet der Komponist und Militärmusiker nicht nur den Mauerfall und die deutsche Wiedervereinigung, sondern auch einen bedeutenden Teil seiner eigenen Biografie. Denn er hat als 16-Jähriger die Geschehnisse an der deutsch-deutschen Grenze damals selbst miterlebt.
Welch musikalisch bedeutsames Werk aus seinen persönlichen Erlebnissen entstanden ist, darf das Kreisorchester Borken (KOB) zum Tag der Deutschen Einheit im Vennehof in Borken zeigen. Am 1. Oktober (Sonntag) lädt das Auswahlorchester um 17 Uhr selbst zum Konzert mit Chor ein. Am 3. Oktober (Dienstag) umrahmen die Musikerinnen und Musiker außerdem den Festakt der Stadt Borken zum Tag der Deutschen Einheit in der Stadthalle Vennehof.
„Ihr könnt euch das nicht vorstellen. Meine Familie war direkt vom Machtapparat der DDR betroffen: Mein Großvater war im Gefängnis, mein Vater war im Gefängnis, mein Bruder in Untersuchungshaft...noch ein Jahr vor der Wende hätte sich keiner von uns vorstellen können, dass es so etwas wie den Mauerfall jemals geben könnte“, schilderte Guido Rennert den Musikerinnen und Musikern des KOB die damaligen Zustände.
Zum Probewochenende des Orchesters war der Komponist extra angereist und hatte das Stück in der Landesmusikakademie in Heek mit dem Orchester geprobt.
„Die Leute sind damals mit dem Bewusstsein auf die Straße gegangen, dass sie diesen Tag vielleicht nicht überleben werden. Denn es gab einen definitiven Schießbefehl. Aber der Drang nach Freiheit war größer“, erklärte Rennert weiter die Begebenheit zur friedlichen Revolution 1989.
Diese persönlichen Einblicke und ausführlichen Erklärungen, welche Tatsachen, und Ideen in seiner Komposition verarbeitet sind, halfen dem gesamten Orchester das Stück besser zu begreifen und der Musik den gewünschten Charakter zu geben.
Auf die Zuhörerinnen und Zuhörer des Konzerts wartet mit „Wir sind das Volk“ ein echtes musikalisches Highlight. Guido Rennert versteht es immer wieder neu musikalische Atmosphären zu erzeugen, die von besonderen Klängen geprägt sind. Er verarbeitet neben diesen Klangwelten zusätzlich ein Kinderlied sowie den Wende-Song der Ostdeutschen „Als ich fortging“. Außerdem kommt neben dem Orchester auch ein Chor zum Einsatz, der die ohnehin gewaltige Tonalität zusätzlich unterstützt und unterstreicht. Diese Aufgabe übernimmt der speziell für dieses Konzert ins Leben gerufene Projektchor des Kreisorchesters Borken.
Doch mit der reinen Musik ist es nicht getan. Neben Chor und Orchester darf das Publikum auf verschiedene originale Video- und Toneinspielungen gespannt sein: etwa von Walter Ulbricht, John F. Kennedy, oder Willy Brandt. Dieses Arsenal an Klang und Geschichte dürfte nicht nur den Musikerinnen und Musikern eine Gänsehaut bereiten.
Eben weil Guido Rennert einen bedeuteten Teil seiner eigenen Geschichte in diesem Werk verarbeitet, behält er sich vor selbst zu entscheiden, welches Orchester dieses Werk spielen darf und welches nicht. Dass dem KOB diese Ehre zu Teil wird, nimmt für die Musikerinnen und Musiker einen besonderen Stellenwert ein.
Neben der „Freiheitssinfonie“ stehen weitere Kompositionen von Guido Rennert auf dem Programm. Zusätzlich bietet das KOB weitere Facetten des Orchesterklangs: etwa Melodien aus dem Musical „Chess“, oder „October“ von Eric Whitacre und „With Heart and Voice“ von David R. Gillingham.
Tickets für das Konzert des KOB am 1. Oktober gibt es im Internet: www.kreisorchester-borken.de. Los geht es am Sonntag um 17 Uhr. Karten für den Festakt am 3. Oktober sind an Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher Borkener Vereine – von Kultur bis Sport – vergeben worden.